Aufstellungen

In der Systemischen Therapie wird der einzelne Mensch nicht isoliert betrachtet, sondern besonders auch als Teil eines Systems gesehen, z. B. der Familie oder der Firma oder Einrichtung, in der er oder sie tätig ist. In seinem systemischen Umfeld kann der Mensch sowohl Stärken und Fähigkeiten entwickeln als auch Verhaltensprobleme oder Gefühlslagen, die zu Unsicherheit oder Unzufriedenheit führen.
Die Systemische Theorie geht davon aus, dass sich alle Bestandteile eines Systems gegenseitig beeinflussen, da sie in ständiger Wechselwirkung agieren. Demnach verändert sich das ganze System, wenn sich ein Mitglied / ein Bestandteil verändert.
In einer „Aufstellung“ werden Platz und Rolle der einzelnen Mitglieder mitsamt der ihnen zugrundeliegenden Konfliktpotentiale und Ressourcen sichtbar gemacht, und die Methoden helfen dabei, Transparenz innerhalb der Beziehungsgeflechte in familiären oder beruflichen Bereichen herzustellen.

Im therapeutischen Prozess können Erkenntnisse aus dem systemischen Umfeld eines Menschen wertvolle Hinweise zum Zustandekommen von Poblemen liefern und Wege zu individuellen Lösungen aufzeigen. Eine Aufstellung ersetzt keine Therapie, sie kann diese aber wirksam ergänzen.

Die Aufstellungsarbeit insgesamt ist komplex. Sie folgt bestimmten Regeln und bedarf einer guten und gründlichen Vor- und Nachbereitung durch einen geschulten Therapeuten. Am Beispiel der Familien­aufstellung möchte ich die Verfahrensweise kurz erläutern.

Unsere Herkunftsfamilie beeinflusst unser Leben in besonderem Maße, da wir schon als Kinder die Regeln und Glaubenssätze der Familie aufnehmen und auch besondere Familienereignisse unser kindliches Leben prägen. So unterschiedlich wie jede Familie ist, so unterschiedlich sind auch die Gefühle und Erfahrungen, die jeder Mensch aus seiner Herkunftsfamilie mitnimmt:
Bestenfalls erlebten wir Fürsorge, Liebe, Geborgenheit, Vertrauen und Unterstützung, schlimmstenfalls Willkür, Gewalt, Wut, Enttäuschung und Einsamkeit – manchmal auch ein Gemisch aus allem.

Wenn Betroffene den Eindruck haben, dass unbewusste Probleme sie blockieren, ihnen Schlaf und Gesundheit rauben und sie daran hindern, ein selbstbestimmtes, glückliches Leben zu führen, dann lohnt sich der Blick auf die Strukturen ihrer Herkunftsfamilie. Denn Botschaften und Glaubenssätze, die das Leben prägen und manchmal zu einem fortwährenden Leidensdruck führen, können in einer Familienaufstellung erforscht und erfahrbar gemacht werden.
Solche Glaubenssätze könnten z. B. sein:

  • Ich muss immer brav sein, damit ich geliebt werde.
  • Ich mache ja sowieso immer alles falsch.
  • Ich muss mich noch mehr anstrengen, damit ich Mutter / Vater gefalle.
  • Ich bin nicht gut genug.
  • Ich trage die Verantwortung dafür, dass es der Familie gut geht / ich bin schuld, dass es der Familie schlecht geht.

Wichtig ist, dass ein Betroffener seine Familienmitglieder mit einer konkreten Fragestellung oder einem „Anliegen“ aufstellt, in dem sein Problem zum Ausdruck kommt, z. B.:

  • Warum habe ich immer ein schlechtes Gewissen, obwohl kein Grund dafür besteht?
  • Warum bin ich so misstrauisch gegenüber anderen Menschen?
  • Warum bin ich so rastlos / ruhelos / nie zufrieden mit mir?

Die Fragestellung wird im Vorfeld zusammen mit dem Berater / Therapeuten erarbeitet und bestimmt die jeweilige Schwerpunktsetzung der Aufstellung.

Bei der eigentlichen Aufstellungsarbeit lassen sich unterschiedliche Formen praktizieren: In sog. Aufstellungsseminaren oder Gruppenaufstellungen kommen mehrere Teilnehmer / innen zusammen und stellen nacheinander ihre Familien auf. Die Zuhörer fungieren dann als Stellvertreter für die jeweiligen Familienmitglieder. Aufstellungen lassen sich auch sinnvoll im Rahmen einer Therapie in längeren Einzelsitzungen durchführen. Die Herkunfts- oder Gegenwartsfamilie wird mithilfe von Gegenständen oder Stühlen auf einem Tisch oder im Raum so platziert, dass Familiendynamiken, Rollen­zuschreibungen, Nähe und Distanz zwischen den Familienmitgliedern sowie verborgene, unbewusste Prozesse sichtbar werden.

Mit Hilfe des Therapeuten kann es den Betroffenen gelingen, Licht ins Dunkel der Familienstrukturen zu bringen und zu einer größeren inneren Freiheit im eigenen Leben zu finden. Zur Festigung der Ergebnisse sind einige nachbereitende Gesprächstermine anzuraten.

Aufstellungen sind auch wirksame Methoden bei:

  • Problemen in der Gegenwartsfamilie, z. B. bei der Kindererziehung
  • Paarproblemen
  • Süchten oder Abhängigkeiten
  • Unerklärlichen körperlichen Symptomen
  • Beruflichen Problemen
  • Coaching Prozessen
  • Unternehmens- oder Organisationsberatung, z. B. bei der Teamentwicklung
  • Unklaren Lebenssituationen
  • Persönlichen Lebenskrisen

Aufstellungen sind keine Wundermittel und bewirken keine Wunderheilung – sie können aber im persönlichen oder familiären Bereich helfen, das eigene Leben, eigene Gefühle und Verhaltensweisen besser zu verstehen, und sind für Betroffene neben anderen therapeutischen Behandlungs­konzepten ein hilfreiches Verfahren, um Frieden mit der eigenen Vergangenheit zu schließen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Im beruflichen Bereich kann eine Aufstellung Ursachen für Schwierigkeiten bei der professionellen Zusammenarbeit von Abteilungen und innerhalb einzelner Teams transparent machen oder z. B. unklare Kommunikations­strukturen aufdecken. Als gleichzeitig problem- und lösungsorientiertes Verfahren bietet eine Aufstellung ein wirksames Instrument sowohl zur Optimierung von Arbeits­prozessen als auch zur Förderung einer guten Arbeits­atmosphäre.